Sprache:
Schilddrüsenpraxis Josefstadt

Hyperthyreose

Verfasst von Dr. Georg Zettinig, Wien, 2003

Ursprünglich veröffentlicht auf www.nuklearmedizin.org

Hyperthyreose

Hyperthyreose ist keine Krankheit, sondern ein Symptom, dem verschiedenste Erkrankungen zugrunde liegen können. In der folgenden Übersicht werden die verschiedenen Ursachen einer Hyperthyreose, die Auswirkungen einer Schilddrüsenüberfunktion auf den Stoffwechsel und die unterschiedlichen Therapiestrategien vorgestellt.

Bei einer Schilddrüsenüberfunktion führen die gesteigerte Produktion und Sekretion von Schilddrüsenhormonen zu krankhaften Auswirkungen auf den ganzen Organismus. Bei der manifesten Hyperthyreose ist der Spiegel an freien Schilddrüsenhormonen (fT3 - freies Trijodthyronin und fT4 - freies Thyroxin) im Blut erhöht; im Normalfall ist bei diesen Patienten auch das von der Hypophyse ausgeschüttete TSH (Thyroidea stimulierende Hormon) supprimiert. Bei der latenten Hyperthyreose sind die freien Schilddrüsenhormone noch im Normalbereich, durch den mässiggradigen Anstieg der Schilddrüsenhormone kommt es jedoch bereits zu einer Suppression des TSH.

Die Schilddrüsenhormone liegen im Serum zu 99% in proteingebundener Form vor. Da nur die freien Hormone die Versorgung der Körperperipherie mit Schilddrüsenhormonen widerspiegeln, sollten vor allem diese freien Schilddrüsenhormone zur Beurteilung von Schilddrüsenfunktionsstörungen herangezogen werden. Diese können heutzutage relativ zuverlässig bestimmt werden, und die heute verwendeten modernen TSH-Assays der „3. Generation“ erlauben auch eine sichere Abgrenzung zwischen normalen und erniedrigten TSH Konzentrationen zur Abklärung einer Hyperthyreose.

Funktionelle Autonomie der Schilddrüse

In einer gesunden Schilddrüse findet sich nur ein geringer Anteil an Thyreozyten, die von der übergeordneten TSH-Regulation unabhängig (autonom) sind. Als Ursache einer Autonomieentwicklung werden Mutationen auf molekularer Ebene in den Gensequenzen des TSH Rezeptors und der G-Proteine diskutiert. Das Auftreten dieser somatischen Mutationen wird durch Jodmangel begünstigt.

Eine Schilddrüsenautonmie kann in einem einzelnen Knoten (unifokale Autonomie, 25% der Fälle), in mehreren Knoten (multifokale Autonomie, 50%) oder disseminiert im sonographisch weitgehend unauffälligem Schilddrüsengewebe (disseminierte Autonomie, 25%) auftreten.

Autonomes Schilddrüsengewebe stellt sich szintigraphisch als „heiss“ dar (in autonomen Arealen zeigt sich eine gesteigerte Tc99m-Pertechnetat Aufnahme). Bei Verdacht auf eine Schilddrüsenautonomie wird auf jeden Fall eine Szintigraphie durchgeführt und jede Schilddrüsenautonomie sollte einer der oben angeführten drei Formen zugeordnet werden. Auch eine Sonographie ist erforderlich, um das Volumen der Schilddrüse und einzelner Knoten innerhalb des Schilddrüsenparenchyms zu ermitteln und die eventuellen Herdbefunde dem Sonogramm zuzuordnen (Abb. 1 und 2).

Immunthyreopathie Morbus Basedow

Bei einem Mb. Basedow hat die Hyperthyreose eine völlig andere Ursache: Es handelt sich bei dieser Erkrankung um eine Autoimmunerkrankung mit thyroidalen und extrathyroidalen Manifestationen. Eine Aktivierung der T-Zellen führt zur Bildung von Autoantikörpern, die den TSH-Rezeptor stimulieren. Diese zeigen auch eine Kreuzreaktivität mit anderen Geweben, was zur endokrinen Orbitopathie, zum prätibialen Myxödem, und zur Akropachie führen kann. Zusätzlich zu den Symptomen der Hyperthyreose finden sich durch die Autoimmunerkrankung bedingte Symptome.

Typischerweise finden sich beim Mb. Basedow erhöhte Titer an Schilddrüsenautoantkörpern (TPO-Ak, Tg-Ak), insbesondere TSH-Rezeptor-Autoantikörper (TRAK). Die differentialdiagnostische Abgrenzung zur Autonomie ist jedoch nicht immer einfach. Liegen Augensymptome im Sinne einer endokrinen Orbitopathie vor, ist die Diagnose einer immunogenen Hyperthyreose gesichert. Auch das typische sonographische Bild, das sich bei Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse findet (Abb. 3 und 4) ist differentialdiagnostisch sehr hilfreich. Die untenstehende Tabelle listet die typischen Befunde bei einer Schilddrüsenautonomie und bei Mb. Basedow auf.

Unterschiede zwischen Schilddrüsenautonomie und der Immunthyreopathie Morbus Basedow.

TSH Rezeptor Autoantikörper (TRAK): bei Autonomie fehlend, bei Basedow positiv.

Extrathyroidale Manifestationen: bei Autonomie fehlend, bei Morbus Basedow möglich: Endokrine Orbitopathie, Akropachie, prätibiales Myxödem.

Sonographie: bei Autonomie Knoten, degenerative Veränderungen, bei Morbus Basedow diffus echoarme Struktur

Szintigraphie: bei fokaler Autonomie Herdbefund, bei Morbus Basedow homogen gesteigerte Aufnahme

Alter: bei Autonomie Patienten eher älter, bei Morbus Basedow Patienten eher jünger

Seltenere Ursachen einer Hyperthyreose

Eine besondere Form der Immunhyperthyreose stellt das Marine Lenhardt Syndrom dar: Auf eine bereits existierende Struma mit autonomen Anteilen pfropft sich ein Mb. Basedow auf. Diese Konstellation findet sich in ungefähr 1%.

Auch andere Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse können passager mit einer Hyperthyreose einhergehen. In der hyperthyreoten Phase einer chronischen Autoimmunthyroiditis Hashimoto, bei der postpartalen Thyroiditis, sowie bei der silent thyroiditis können sich hyperthyreote Phasen finden.

Eine in der Schwangerschaft auftretende Hyperthyreose kann auf zwei Prinzipien beruhen: Einerseits zeigt das Beta-HCG eine Kreuzreaktion mit dem TSH Rezeptor, andererseits kann es durch die Schwangerschaft zur Stimulation einer vorbestehenden Immunhyperthyreose kommen.

Die missbräuchliche Einnahme von Schilddrüsenhormonen ist häufiger als man glaubt.

Bei der subakuten Thyroiditis de Quervain, einer schmerzhaften Viruserkrankung, die mit hochgradigem Krankheitsgefühl einhergeht, findet sich im Anfangsstadium meist eine passagere Hyperthyreose.

Die Amiodaron-induzierte Thyroiditis, bei der zwei Formen unterschieden werden (Typ 1, in einer knotig umgeformten Schilddrüse; Typ 2, in einer morphologisch unauffälligen Schilddrüse) hat in den letzten Jahren stark zugenommen.

Ausgesprochen seltene Ursachen einer Hyperthyreose sind auch noch die zentrale Hyperthyreose durch einen TSH produzierenden Hypophysentumor, hormonproduzierende Schilddrüsenkarzinome oder hormonproduzierende Metastasen, die Schilddrüsenhormonresistenz, eine Sarkoidose der Schilddrüse, und anderes.

Auswirkungen einer Hyperthyreose auf den Stoffwechsel

Die Konsequenzen einer Schilddrüsenüberfunktion sind in im nächsten Absatz detailliert aufgeführt. Besonderes Augenmerk muss - vor allem bei älteren Patienten mit einer Autonomie - auf die kardiovaskulären Effekte gerichtet werden.

Kardiovaskuläre Effekte

Eine Schilddrüsenüberfunktion ist eine der häufigsten Ursachen für Vorhofflimmern. Vorhofflimmern tritt in 5-15% der Patienten mit Hyperthyreose auf und in einer grossen Studie führte eine Behandlung der Hyperthyreose in 62% der Fälle zu Sinusrhythmus. Lediglich bei älteren Patienten ist die Konversionsrate niedriger. Auf den ersten Blick wirkt eine Hyperthyreose ansonsten ja günstig auf das Herz/Kreislaufsystem; es kommt zu einer Steigerung der Kontraktilität und des Schlagvolumens. Allerdings steigt auch die Herzfrequenz. Der Cardiac Output ist daher hoch, und Patienten mit einer Schilddrüsenüberfunktion können bei Belastungen die Herzfrequenz nicht mehr steigern und den peripheren Widerstand nicht mehr senken. Es kommt zum sogenannten „Rate related heart failure“ und zu klinischen Zeichen einer Herzinsuffizienz. Bei älteren Patienten mit vorbestehender Herzinsuffizienz führt der gesteigerte Workload durch die Hyperthyreose zu einer weiteren Verschlechterung der Herzinsuffizienz, und bei ischämischer bzw. hypertensiver Kardiomyopathie kann sich das Myokard nicht mehr an den gesteigerten metabolischen Bedarf anpassen. Die initiale Behandlung einer Hyperthyreose ist daher eine Frequenznormalisierung mit einem Betablocker.

Kohlenhydratstoffwechsel

o Beschleunigung der intestinalen KH-Resorption

o Steigerung der Glukoneogenese

o Steigerung des KH Abbaus

o Stimulation sowohl von Glykogensynthese als auch Glykogenolyse

Insulin

o SD-Hormone verstärken die Insulinwirkung

o Gleichzeitg vermehrter Abbau von Insulin

o Der Insulinbedarf insgesamt steigt

Proteinstoffwechsel

o In physiologischen Dosen: Anabol

o Bei erhöhter Hormonkonzentration: Katabol

Fettstoffwechsel

o Steigerung der Fettmobilisierung

o Abbau von Speicherfett

o Mässig erhöhte Lipidsynthese

o Abfall des Cholesterins

Nervensystem/Muskulatur

o Veränderungen des ZNS

o Neuromuskuläre Übertragung (Sehnenreflexe)

o Muskulatur

Herzkreislaufsystem

o Steigerung der Kontraktilität des Myokards

o Steigerung des Schlagvolumens

o Steigerung der Herzfrequenz

o Steigerung der Blutdruckamplitude

Therapiemöglichkeiten

Bis auf wenige Ausnahmen wird jeder Patient mit einer manifesten Hyperthyreose thyreostatisch anbehandelt, in den meisten Fällen ist auch eine symptomatische Therapie mit Betablockern erforderlich. Anschliessend muss je nach zugrundeliegender Krankheit eine Therapiestrategie zurechtgelegt werden: Definitive Therapie (Operation, Radiojodtherapie), oder medikamentöse Therapie mit Thyreostatika. Bei einer Autonomie ist nach überbrückender Thyreostatikagabe stets eine definitive Therapie erforderlich, beim Mb. Basedow ist eine thyreostatische Therapie über ca. 12-18 Monate die erste Wahl.

Operation

Eine Operation ist bei grossen Knotenstrumen, zumeist mit multifokaler Autonomie und/oder bei gleichzeitigem Vorliegen von kalten Knoten indiziert. Auch bei lokalen Beschwerden, Malignomverdacht, sowie Kontraindikationen zur Radiojodtherapie sollte eine chirurgische Sanierung erfolgen. Nebenwirkungen einer Operation können die Verletzung des Stimmbandnerven und die Beschädigung und/oder Entfernung einer oder mehrerer Nebenschilddrüsen sein. Das Rezidivrisiko liegt bei 2-10%.

Radiojodtherapie

Bei einer Radiojodtherapie wird der Betastrahler Jod-131 meist oral verabreicht. Dieser hat eine Reichweite von 0.5 - 2 mm, reichert sich im hyperfunktionellen Schilddrüsengewebe an und bestrahlt dieses von innen. Jod-131 hat eine physikalische Halbwertszeit von 8 Tagen, zusätzlich wird es über Harn, Stuhl, Schweiss, Speichel und andere Körpersäfte ausgeschieden. Nach Gabe von Jod-131 strahlt der Patient radioaktiv; die Therapie erfolgt daher stationär auf eigenen Bettenstationen. Erst wenn eine gewisse gesetzlich vorgegebene Dosisleistung unterschritten ist, kann der Patient nach Hause entlassen werden. In der Regel ist ein stationärer Aufenthalt von ca. einer Woche erforderlich. In Einzelfällen wird Jod-131 auch fraktioniert auf mehrere Einzelaktivitäten verteilt verabreicht; auf diese Weise ist eine ambulante Radiojodtherapie möglich.

Es gilt heute als gesichert, dass das Risiko einer Radiojodtherapie unabhängig vom Alter deutlich unter dem Risiko einer Operation liegt. Es gibt keine Bedenken für eine Schwangerschaft nach erfolgter Radiojodtherapie, lediglich in den ersten 6 Monaten nach Radiojodtherapie sollte eine Konzeption vermieden werden. Bei Radiojodtherapien zur Hyperthyreosebehandlung gibt es auch keine gesicherten Hinweise auf eine malignominduzierende Wirkung.

Kontraindikationen für eine Radiojodtherapie sind Gravidität und Laktation, Kinderwunsch innerhalb der nächsten 6 Monate, schwere Hyperthyreosen ohne thyreostatische Vorbehandlungen, sowie das Vorliegen eines konkreten Malignomverdachtes.

Thyreostatische Therapie

Eine thyreostatische Therapie wird heutzutage ausschliesslich mit Medikamenten vom Thionamid-Typ (Thiamizol, Carbimazol), sowie Propylthiouracil durchgeführt. Nur in sehr speziellen Situationen werden Perchloreat oder eventuell Lithium eingesetzt.

Die Thionamide bzw. Propylthiouracil hemmen dosisabhängig die durch die TPO katalysierte Jodination des Thyroxins. Es kommt zu einer Kompetition mit dem intrathyroidalen Jod um die Schilddrüsenperoxidase, dadurch verlangsamt sich der Jodeinbau ins Thyroxin und die Schilddrüsenhormonsynthese. Die thyreostatische Wirkung ist daher bei Jodmangel ausgeprägter als bei normaler Jodversorgung oder Jodkontamination. Propylthiouracil führt zusätzlich zu einer Hemmung der Konversion von T4 zu T3.

Bei den Thionamiden ist 10 mg Thiamazol äquivalent zu 16 mg Carbimazol. Da die pharmakologische Wirkung ungefähr 24 Stunden beträgt, ist eine tägliche Einmalgabe möglich. Bei Propylthiouracil beträgt die HWZ nur 12-24 Stunden, die Dosierung muss daher auf mehrere Einzelgaben verteilt werden. Die Dosierung muss bei Propylthiouracil 15 mal höher als bei Thiamizol erfolgen.

Nebenwirkungen der Thyreostatika sind dosisabhängig und in den ersten Behandlungswochen am häufigsten. Meist handelt es sich dabei um leichte Nebenwirkungen wie allergische Hautreaktionen oder gastrointestinale Beschwerden. Schwere Nebenwirkungen wie Leberschädigung oder Blutbildveränderungen bis hin zur Agranulozytose sind selten, es sollte aber stets daran gedacht werden.

Bei einer thyreostatischen Therapie sind anfangs engmaschige Kontrollen in zwei-bis dreiwöchigen Abständen erforderlich, später in sechs-bis zwölfwöchigen Abständen. Überprüft werden die peripheren Hormonwerte sowie das basale TSH. Bei einem Anstieg des basalen TSH auf hochnormale Konzentrationen muss die Dosis reduziert werden. Bei jeder Kontrolluntersuchung müssen auch die Leberenzyme und das Blutbild überprüft werden.

Beim Mb. Basedow wird die thyreostatische Therapie in der Regel nach knapp einem Jahr langsam ausgeschlichen. Im Falle einer Persistenz oder eines Rezidivs sollte eine definitive Therapie erfolgen. Bei der Autonomie kommt es - im Gegensatz zum Mb. Basedow - zu keiner Remission oder Selbstheilung, es muss bei eindeutiger Diagnose daher stets eine definitive Therapie durchgeführt werden. Lediglich in besonderen Situationen, wie schweren Allgemeinerkrankungen mit ungünstiger Prognose, sehr hohem Lebensalter mit ausgesprochener Multimorbidität, fehlender Kooperationsfähigkeit des Patienten für eine Radiojodtherapie oder Operation kann an eine längerfristige thyreostatische Therapie gedacht werden.

Schilddrüsenblockade vor Jodgabe

Die Gabe von Jod in höherer Dosierung kann bei Patienten mit Schilddrüsenautonomie eine Hyperthyreose auslösen. Daher sollte bei diesen Patienten vor Jodexposition (Röntgenkontrastmittel) eine Schilddrüsenblockade durchgeführt werden. Perchlorat hemmt kompetitiv die Jodaufnahme in die Schilddrüse. Das folgende Schema kann hier hilfreich sein:

Perchlorat:
500 mg 2-4 h vor und nochmals 2-4 Stunden nach Jodgabe
Anschliessend 3 x 300 mg über 7 - 10 Tage

Thiamizol:
Zusätzlich nur bei hohem Risiko (20 - 40 mg über 10 - 14 Tage)
Kontrolle der Schilddrüsenfunktion nach 3 und 6 Wochen

 

Dieser Artikel wurde 2003 verfasst und entspricht dem Stand des Wissens zum Zeitpunkt der Veröffentlichung.

Literatur beim Verfasser.

Schilddrüsenpraxis Josefstadt - Univ. Doz. Dr. Georg Zettinig
Schilddrüsenpraxis Josefstadt - Univ. Doz. Dr. Georg Zettinig
Website by berghWerk New Media